Mehr Ladestationen: Deutschlands Infrastruktur für Elektroautos bietet viel Luft nach oben

Ladestationen für Elektroautos sind in Deutschland noch rar gesät. Wir nennen die Zahlen, Gründe und Zukunftsaussichten

09. Juni 2017
Mehr Ladestationen: Deutschlands Infrastruktur für Elektroautos bietet viel Luft nach oben

Große Ziele, ernüchternde Zahlen – die aktuelle Situation um die E-Ladestationen

Ist Deutschland ein Entwicklungsland? Zumindest was die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge betrifft, ist diese Frage derzeit berechtigt. Denn obwohl Bundesregierung, Autohersteller und Raststätten die Zahl der Ladestationen für Elektroautos deutschlandweit vorantreiben wollen, fallen die öffentlichen Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge aktuell mager aus. Was sind die Gründe?

Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat ein ehrgeiziges Ziel: 7.000 öffentliche Schnellladepunkte sollen bis 2020 installiert werden – auch um der zuletzt stagnierenden Verkaufszahl von Elektroautos entgegenzuwirken. An Schnellladepunkten können Besitzer von Elektroautos die Fahrzeugbatterie vollständig aufladen. So spart man im Vergleich zum „Tanken“ an Normalladestationen – dort dauert die Aufladung einige Stunden – einiges an Zeit. Man sollte daher meinen, dass die Errichtung von Schnellladepunkten besonders in Autobahnnähe attraktiv sei. Die Zahlen sagen jedoch etwas anderes: Von den 7.000 geplanten Ladestationen wurden laut Verkehrsministerium bis zum Juli 2016 erst ganze 153 realisiert. Berücksichtigt man, dass anders als bei herkömmlichen Tankstellen, nicht mehrere Zapfsäulen, sondern jeweils nur ein Ladepunkt zur Verfügung steht, wirkt die Zahl noch bescheidener.

Viele Probleme beim Ausbau des E-Ladestation-Netzes

Die Schwierigkeiten, die einem rasanten Anstieg der Ladestationen für Elektroautos im Wege stehen, sind vielschichtig. Sie beginnen beim uneinheitlichen Bezahlsystem. Während einige Säulen eine Kundenkarte verlangen, muss man sich bei anderen vor der Nutzung zunächst via Smartphone registrieren. Einige benötigen zusätzlich den Anschluss durch ein mitgebrachtes Ladekabel, das es für rund 500 Euro zu kaufen gibt. Ein weiteres Hindernis ist die zwingend notwenige Verbindung der Ladestation zum Internet, ohne die eine Abrechnung des Stromverbrauchs unmöglich ist. So wird beispielsweise die Umsetzung der Idee eines Berliner Startups, Steckdosen zur Aufladung in Laternen zu integrieren, erheblich erschwert. Der Grund ist simpel: Ihnen fehlt ein Internetanschluss.

Wie bei jeder Investition in neue Märkte mit ungewisser Zukunftsprognose stellt sich die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen. Die großen Tankstellenbetreiber beteuern zwar, sich mit Ladestationen für Elektroautos zu befassen, mehr als einzelne Testprojekte, wurde bisher aber nicht umgesetzt – zu unsicher erscheint den großen Mineral- und Erdgas-Unternehmen die Entwicklung der Elektroautos.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Stromkonzernen. Der Energieriese RWE wirbt in seiner Broschüre für E-Mobilität damit, in Zusammenarbeit mit Partnern allein in Deutschland rund 1.000 Ladepunkte zu betreiben. Im Vergleich zu den 70.000 Stationen, die die Nationale Plattform Elektromobilität für das Jahr 2020 als notwendig angibt, wirkt die Zahl jedoch winzig. Der Grund ist auch hier die fehlende wirtschaftliche Profitabilität: Die enorm günstigen Preise für Strom aus öffentlichen Ladesäulen sind für die Stromerzeuger nicht gewinnbringend.

Autokonzerne machen Besitzern von Elektroautos Hoffnung

Düstere Aussichten also für die Besitzer von E-Fahrzeugen? Nicht ganz – neue Initiativen von Autoherstellern und Raststätten geben Anlass zur Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte. Nach Informationen der BILD-Zeitung planen die Autohersteller BMW, Daimler, Ford und Volkswagen eine gemeinsame Aktion, in der innerhalb der nächsten drei Jahre tausende Hochleistungsladepunkte an Autobahnen und viel befahrenen Strecken in Europa gebaut werden sollen. Auch der Autobahnraststätten-Betreiber Tank und Rast will Schnellladestellen an insgesamt 400 Raststätten errichten und so alle 30 Kilometer eine Aufladung der Elektroautos ermöglichen. Zu guter Letzt hat die Bundesregierung bereits im letzten Jahr ein Förderprogramm für E-Mobilität gestartet, in dem 300 Millionen Euro in die Ladeinfrastruktur investiert werden sollen.

Was war zuerst: Elektroauto oder Ladestation?

Es bleibt die Frage nach der Henne und dem Ei: Bewirken immer höhere Reichweiten der E-Autos den Ausbau der Infrastruktur im Bereich der E-Mobilität oder steigert ein zunächst erhöhtes Angebot an E-Zapfsäulen den derzeit stotternden Verkaufsmotor der E-Fahrzeuge? Wer die Entwicklung nicht abwarten möchte und bereits Inhaber eines Elektroautos ist, dem wird hier die Suche nach einer Zapfsäule in seiner Nähe erleichtert.